Web 3.0

Was ist mit dem Begriff Web 3.0 eigentlich geworden?

Vom Versions-Hype zum Buzzword-Grab

von Dr. William Sen

Als Tim O’Reilly 2004 den Begriff Web 2.0 populär machte, passte die „Versionsnummer“ ausgezeichnet zum Zeitgeist: Das Netz wirkte plötzlich wie eine Software, die man updaten konnte. Nur wenige Jahre später schlug das Pendel zurück. In den Medien setzte sich statt Web 2.0 mehr und mehr die Bezeichnung Social Media durch – u. a. weil 2.0 für viele zu technisch klang und der Nutzen der neuen Plattform-Ökonomie klarer mit „Social Media“ beschrieben war.

Der Versuch, das Spiel direkt fortzuführen und eine nächste Hauptversion auszurufen – Web 3.0 – knüpft zwar logisch an, hat aber nie dieselbe Deutungshoheit erreicht. Warum?

Rückblick – Web 1.0 und Web 2.0 in Kürze

Web 1.0: Read only – statische HTML-Seiten, Inhalte konsumieren, Gästebuch

Web 2.0 / Social Media: Read & Write – User-Generated Content, Plattform-Ökonomie, Blogs, Wikipedia, Facebook, YouTube

Den wohl ersten ernsthaften Entwurf dessen, was einmal Web 3.0 heißen könnte, legte Tim Berners-Lee 2001 in Scientific American vor. Sein „Semantic Web“ sollte Informationen mit maschinenlesbaren Bedeutungen anreichern (RDF, OWL u. a.), sodass Software-Agenten Aufgaben selbstständig erledigen können. Als Beispiel beschrieb er ein Agenten-Szenario, das Arzttermine, Versicherungsdaten und Fahrgemeinschaften koordiniert – ein damals revolutionärer Gedanke.

Trotz intensiver Forschung blieb das Semantische Web eine Teilnische. Die Gründe:

  • Hohe Einstiegshürden – Ontologie-Design und Metadatenmodelle sind komplex.
  • Anreize fehlen – Website-Betreiber profitierten kurzfristig wenig von zusätzlicher Markup-Arbeit.
  • Netzwerkeffekte – Sinnvoll wird semantische Auszeichnung erst, wenn viele sie nutzen. Der positive Rückkoppelungseffekt, den Ökonomen als Network Effect beschreiben, wurde nie erreicht.


Warum der Begriff Web 3.0 verwaiste

  1. Konkurrenz durch Social Media
    Schon 2010 zeigten Google-Trends, dass „Social Media“ den Suchbegriff „Web 2.0“ überholt hatte – und damit die Versionslogik in den Hintergrund rückte.
  1. Uneinigkeit über den Inhalt
    Während die einen unter Web 3.0 das Semantische Web verstanden, sprachen andere schlicht von „Ubiquitous Web“ (allgegenwärtige Konnektivität) oder meinten erweiterte KI-Assistenten. Ein eindeutiger Kern fehlte, sodass das Etikett verwasch.
  1. Mangelnde „Killer-Apps“
    Web 2.0 bekam mit Facebook, YouTube oder Wikipedia sofort greifbare Anwendungen. Für die Semantic-Web-Variante von Web 3.0 blieb der Aha-Effekt aus.


Die Renaissance als „Web3“ – diesmal mit Blockchain

Seit 2021 erlebt der Begriff Web3 (ohne Punkt) ein Comeback – allerdings mit völlig neuer Bedeutung: Dezentralisierung via Blockchain, Smart Contracts, Krypto-Token, DAOs. Cointelegraph beschreibt die Vision als „Internet-Bibliothek ohne Bibliothekar“; Eigentum und Governance sollen bei den Nutzern liegen.

Strategieberater wie McKinsey betonen die mögliche Machtverschiebung weg von Tech-Konzernen: Infrastruktur und Datenhoheit lägen bei Community-betriebenen Netzwerken. Doch auch dieses Narrativ steht noch am Anfang, was Marktturbulenzen rund um Krypto zeigen.

Vorsicht, Namensverwechslung:

Web 3.0 (Semantisches Web, ca. 2005 – 2015) und Web3 (Blockchain-Internet, ab  2021) sind historisch unterschiedliche Konzepte, die lediglich dieselbe Versionszahl beanspruchen.


Ausblick 2025 – was bleibt?

  • AI-gestützte Suche nähert sich einigen Semantic-Web-Zielen an, allerdings mit statistischen Sprachmodellen statt händisch gepflegter Ontologien.
  • Internet of Things liefert die ubiquitäre Datenbasis, die Berners-Lee prognostizierte – aber meist proprietär und cloudzentriert.
  • Dezentrale Identitäten (DID) aus der Web3-Welt könnten langfristig eine semantische Schicht für Vertrauensbeziehungen bieten.

Ob sich dafür erneut ein einheitlicher Begriff etabliert, ist offen. Die Geschichte zeigt: Nicht Vokabeln bestimmen den Gang des Netzes, sondern Anwendungen, die massenhaft Mehrwert schaffen.


Fazit zum Begriff Web 3.0

Der Versuch, das World Wide Web wie eine Software weiterzunummerieren, ist zweimal gescheitert – erst mit dem Semantic-Web-Web 3.0, aktuell droht Ähnliches dem Blockchain-Web3. Begriffe wirken nur, wenn sich hinter ihnen ein klarer Nutzen und ein gemeinsamer Referenzrahmen verbergen. Statt auf Labels zu hoffen, lohnt es sich, die zugrunde liegenden Ideen – semantische Datenmodelle, Dezentralisierung, AI-Assistenzen – pragmatisch in Produkte zu übersetzen. Dann erledigt der Netzwerkeffekt den Rest.

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